Was steht der Fortführung der Unternehmenstätigkeit entgegen?
Was steht der Fortführung der Unternehmenstätigkeit entgegen?
Wirtschaftliche Risiken erkennen, rechtzeitig handeln und strategisch gegensteuern
Die Fortführung eines Unternehmens ist keineswegs selbstverständlich – sie steht unter dem Vorbehalt, dass keine rechtlichen oder tatsächlichen Gegebenheiten dagegen sprechen.
Sobald Zweifel an der Fortführungsfähigkeit auftreten, sind Geschäftsleitung, Aufsichtsorgane und Berater gefordert, zu reagieren.
Der nachfolgende Artikel beleuchtet, was einer Fortführung der Unternehmenstätigkeit konkret entgegenstehen kann – aus bilanzieller, insolvenzrechtlicher und betriebswirtschaftlicher Perspektive.
Inhaltsverzeichnis:
- Einleitung: Warum das Thema Fortführungsfähigkeit entscheidend ist
- Die rechtliche Einordnung: § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB
- Was sind tatsächliche und rechtliche Gegebenheiten?
- Typische Anzeichen, die einer Fortführung entgegenstehen
- Abgrenzung zur Insolvenzreife: Zahlungsunfähigkeit & Überschuldung
- Risikofaktoren in der Praxis – mit Beispielen
- Handlungspflichten der Geschäftsführung
- Frühwarnsysteme und Fortführungsprognosen
1. Warum das Thema Fortführungsfähigkeit entscheidend ist
In wirtschaftlich angespannten Zeiten, bei Branchenumbrüchen oder infolge externer Schocks (z. B. Pandemie, Energiepreise, geopolitische Krisen) geraten viele Unternehmen in eine existenzielle Schieflage. Die Frage, ob ein Unternehmen fortgeführt werden kann, ist dabei nicht nur bilanziell relevant – sie entscheidet über Vertrauen von Kreditgebern, Investoren und Lieferanten und wirkt sich auf die Rechtslage der Organe aus.
2. Die rechtliche Einordnung: § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB
Laut HGB muss ein Jahresabschluss unter der Annahme der „Fortführung der Unternehmenstätigkeit“ aufgestellt werden, sofern dem nicht tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten entgegenstehen.
Das heißt: Die sogenannte Fortführungsannahme bildet die Grundlage jeder handelsrechtlichen Bewertung. Nur wenn keine Fortführung zu erwarten ist, müssen Vermögensgegenstände anders bewertet werden (z. B. Liquidationswerte).

Was steht der Fortführung der Unternehmenstätigkeit entgegen?
3. Was sind tatsächliche und rechtliche Gegebenheiten?
Tatsächliche Gegebenheiten:
- Zahlungsunfähigkeit oder drohende Zahlungsunfähigkeit
- Nachhaltige Verluste ohne erkennbare Gegenmaßnahmen
- Keine realistische Zukunftsperspektive
- Fehlender Marktzugang oder strukturelle Wettbewerbsnachteile
- Massive Abhängigkeit von einzelnen Kunden oder Lieferanten
Rechtliche Gegebenheiten:
- Rechtskräftige Urteile mit existenzgefährdender Wirkung
- Entzug wichtiger Genehmigungen (z. B. Zulassungen, Konzessionen)
- Insolvenzverfahren gegen das Unternehmen oder Muttergesellschaft
- Zwangsvollstreckungsmaßnahmen mit erheblicher Reichweite
4. Typische Anzeichen, die einer Fortführung entgegenstehen
Hier eine Checkliste mit häufigen Warnsignalen:
✅ Wiederholte Jahresfehlbeträge ohne Gegenstrategie
✅ Bilanzielle Überschuldung ohne Sanierungskonzept
✅ Liquiditätsengpässe bei laufenden Verpflichtungen
✅ Ausbleibende Lohnzahlungen, Sozialversicherungsbeiträge oder Steuerabgaben
✅ Kündigung von Kreditlinien oder Lieferantenverträgen
✅ Wegfall wichtiger Aufträge ohne Anschlussprojekte
✅ Versagungsvermerk im Prüfungsbericht des Wirtschaftsprüfers
✅ Negativer Cashflow über mehrere Perioden
5. Abgrenzung zur Insolvenzreife: Zahlungsunfähigkeit & Überschuldung
Was der Fortführung entgegensteht, kann auch ein Insolvenzgrund sein:
- Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO): Wenn das Unternehmen dauerhaft nicht in der Lage ist, fällige Zahlungen zu leisten (Liquiditätslücke >10 % über 3 Wochen)
- Überschuldung (§ 19 InsO): Wenn das Vermögen die Schulden nicht deckt UND keine positive Fortbestehensprognose vorliegt
In beiden Fällen ist die Geschäftsleitung antragspflichtig – innerhalb von 3 Wochen nach Kenntnis des Insolvenzgrundes.
6. Risikofaktoren in der Praxis – mit Beispielen
Branche: Bauwirtschaft
→ Materialpreissteigerungen, gestörte Lieferketten, nicht kalkulierbare Bauzeiten
Branche: Einzelhandel
→ Umsatzrückgang durch Online-Konkurrenz, Mietrückstände, fehlende Frequenz
Branche: Gastronomie
→ Saisonabhängigkeit, gestiegene Energiepreise, zu geringe Margen
Querschnittlich:
→ Wegfall von Fördermitteln, steigende Löhne durch Mindestlohn, CO₂-Steuern, Mauterhöhungen, ESG-Druck
7. Handlungspflichten der Geschäftsführung
Sobald Zweifel an der Fortführung entstehen, müssen Organe:
- Die wirtschaftliche Lage fortlaufend analysieren (Controlling)
- Eine handelsrechtliche Fortführungsprognose einholen
- Bei Indizien für Insolvenzreife eine Fortbestehensprognose (IDW S11) veranlassen
- Externe Fachberater hinzuziehen
- Dokumentieren, wie Unsicherheiten bewertet und Maßnahmen ergriffen wurden
Wichtig: Unterlassen Sie dies, kann sich persönliche Haftung (insb. § 64 GmbHG a.F. bzw. § 15b InsO) ergeben.
8. Frühwarnsysteme und Fortführungsprognosen
Unternehmen sollten über ein Frühwarnsystem verfügen:
- Laufende Liquiditätsplanung
- Rollierende Businessplanung (GuV, Bilanz, Cashflow)
- Debitoren- und Kreditorenüberwachung
- Branchen- und Marktanalysen
- Prüfung außerordentlicher Risiken (z. B. Klagen, regulatorische Eingriffe)
Empfehlung: Bei erkennbaren Risiken ist frühzeitig eine Fortführungsprognose nach IDW PS 270 n.F. bzw. eine insolvenzrechtliche Fortbestehensprognose nach IDW S11 zu erstellen.
Was der Fortführung eines Unternehmens entgegensteht, ist vielschichtig – von finanziellen Engpässen über operative Risiken bis hin zu rechtlichen Problemen. Entscheidend ist, Risiken nicht zu ignorieren, sondern strukturiert zu bewerten und mit geeigneten Maßnahmen zu begegnen.
Je früher Sie handeln, desto größer ist der Gestaltungsspielraum – sowohl wirtschaftlich als auch rechtlich.
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