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Steuerberater Haftung

Steuerberaterhaftung bei Insolvenzreife – BGH-Urteil IX ZR 285/14 und seine Folgen

Wenn aus Beratung Haftung wird

Steuerberater sind in Deutschland mehr als nur Dienstleister für Zahlen, Fristen und Steuern.

In der Praxis übernehmen sie in kleinen und mittleren Unternehmen oft eine betriebswirtschaftlich und strategisch beratende Rolle – und geraten dadurch bei wirtschaftlicher Schieflage ihrer Mandanten zunehmend ins Zentrum rechtlicher Risiken.

Das Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs vom 26. Januar 2017 (Az. IX ZR 285/14) markiert in dieser Hinsicht einen Paradigmenwechsel:

Es verpflichtet Steuerberater unter bestimmten Umständen zur aktiven Warnung vor Insolvenzgründen – und zieht sie in die Haftung, wenn sie dieser Pflicht nicht nachkommen.

In diesem Artikel erfahren Sie:

  • wann eine Haftung für Steuerberater greift,
  • was das BGH-Urteil konkret verlangt,
  • welche Warn- und Hinweispflichten Sie beachten müssen,
  • wie Sie Ihre Haftungsrisiken dokumentiert minimieren,
  • und wann eine Fortführungsprognose oder Fortbestehensprognose notwendig ist.

Hintergrund: Das BGH-Urteil IX ZR 285/14

Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 26.01.2017 entschieden, dass ein Steuerberater für die verspätete Insolvenzanmeldung eines Unternehmens mitverantwortlich sein kann, wenn:

  • er den Jahresabschluss erstellt,
  • er Anzeichen einer Insolvenzreife erkennt oder hätte erkennen müssen,
  • er dennoch weiter nach Fortführungswerten bilanziert, ohne Zweifel zu äußern,
  • er es unterlässt, die Geschäftsführung schriftlich auf eine mögliche Insolvenzantragspflicht hinzuweisen.

Im verhandelten Fall war der Steuerberater für mehrere Jahresabschlüsse einer GmbH verantwortlich. Die Gesellschaft war spätestens seit einem bestimmten Bilanzstichtag überschuldet, jedoch wurde keine Insolvenz beantragt. Der Steuerberater hatte keine Hinweise gegeben, dass die Fortführungsannahme fragwürdig war.

Der Insolvenzverwalter machte Schadensersatz in Höhe des Insolvenzverschleppungsschadens geltend – und bekam Recht.

Wann haftet der Steuerberater?

Haftungsrelevant ist insbesondere:

  • die Bilanzierung auf Basis des Fortführungsprinzips (§ 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB) trotz klarer Zweifel,
  • das Unterlassen einer Warnung vor Insolvenzreife (Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung),
  • die fehlende Aufforderung zur Erstellung einer Fortführungsprognose,
  • die mangelhafte Dokumentation dieser Entscheidungsprozesse.

Typische Auslöser:

  • dauerhafte Verluste bei negativer Eigenkapitalquote
  • Zahlungsverzögerungen bei Sozialabgaben und Steuern
  • Liquiditätsengpässe über mehrere Monate
  • Gläubiger-Mahnungen, Rücklastschriften, Rückstände

Rechtsgrundlagen:

  • § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB
  • § 17, § 18, § 19 InsO
  • § 15a InsO – Antragspflicht
  • § 675 BGB – Geschäftsbesorgungsvertrag
Steuerberater Haftung

Steuerberater Haftung

Warn- und Hinweispflichten des Steuerberaters

Der Steuerberater muss seinen Mandanten konkret, schriftlich und einzelfallbezogen auf folgende Sachverhalte hinweisen:

  • Zweifel an der Fortführungsfähigkeit des Unternehmens
  • Notwendigkeit einer Fortführungsprognose (handelsrechtlich)
  • Notwendigkeit einer Fortbestehensprognose (insolvenzrechtlich)
  • Prüfung von Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) und Überschuldung (§ 19 InsO)

Achtung: Allgemeine Hinweise genügen nicht. Der Hinweis muss individuell auf die wirtschaftliche Situation zugeschnitten und schriftlich dokumentiert sein.

Welche Anzeichen muss der Steuerberater erkennen?

Folgende wirtschaftlichen Indizien sind haftungsrelevant:

  • Zwei Jahre in Folge negative Ergebnisse
  • Unterdeckung des Eigenkapitals (Unterbilanz)
  • Zahlungsrückstände bei Sozialversicherung, Finanzamt
  • Drohende Zahlungsunfähigkeit laut Cashflow-Prognose
  • Forderungsausfälle und zunehmende Mahnverfahren
  • Keine durch Eigenkapital gedeckten Fehlbeträge
  • Fehlende stille Reserven oder Veräußerungsspielräume

Der Steuerberater muss keine Insolvenzdiagnose stellen, aber bei Vorliegen wirtschaftlicher Risiken zur Prüfung der Insolvenzreife auffordern.

Was muss der Steuerberater konkret unternehmen?

✅ Bei erkennbaren Krisensymptomen:

  • Mandanten schriftlich auffordern, eine Fortführungsprognose zu erstellen
  • Bei Überschuldungsverdacht: Fortbestehensprognose anfordern (gem. IDW S11)
  • Auf Antragspflichten nach § 15a InsO hinweisen
  • Eigene Mitwirkung bei Bilanzierung nach Fortführungswerten überdenken

✅ Bei offensichtlicher Insolvenzgefahr:

  • Beratung zu § 17/19 InsO durch fachkundige Dritte empfehlen
  • Mandatsniederlegung in Betracht ziehen, falls Hinweise ignoriert werden

Beispiele für haftungsauslösende Pflichtverletzungen

❌ Weiteres Bilanzieren nach Fortführungswerten trotz Unterbilanz
❌ Keine schriftliche Risikowarnung an Mandanten trotz Rückständen bei Steuern
❌ Kein Hinweis auf drohende Zahlungsunfähigkeit bei Auftragsrückgängen
❌ Kein Vermerk im Abschluss, obwohl erhebliche Zweifel bestanden

✅ Eine klare Dokumentation schützt:

  • Ihre berufsrechtliche Integrität
  • Ihr Haftungsrisiko
  • Ihre Reputation im Krisenfall

Beweislast und Schadensersatz

Wer muss was nachweisen?

  • Mandant oder Insolvenzverwalter muss:
    • Vertragliche Beziehung belegen
    • Pflichtverletzung aufzeigen
    • Schaden nachweisen (z. B. Insolvenzvertiefung)
    • Kausalität darlegen
  • Steuerberater muss:
    • Entlastungsbeweis führen (z. B. ordnungsgemäße Beratung, kein Verschulden)
    • Mitverschulden des Mandanten beweisen

Schadenshöhe:

Ermittelt durch Vergleich der Vermögenslage mit und ohne Pflichtverletzung. Der Ersatzanspruch umfasst typischerweise:

  • zusätzliche Verbindlichkeiten,
  • Forderungsausfälle,
  • Masseschmälerung im Insolvenzverfahren.

Die Rolle des Wirtschaftsprüfers

Steuerberater können sich nicht auf die Jahresabschlussprüfung berufen, um sich zu entlasten:

  • Die Prüfpflichten der Wirtschaftsprüfer gelten zwar ergänzend (§ 321, § 317 HGB), entbinden aber nicht von den eigenständigen Pflichten des Steuerberaters.
  • Das BGH-Urteil betont: Eine Haftungsverlagerung auf den Prüfer ist nicht möglich.

So vermeiden Sie als Steuerberater persönliche Haftung

Checkliste für mehr Sicherheit:

✅ Anzeichen wirtschaftlicher Krise systematisch erfassen
✅ Fortführungsfähigkeit kritisch hinterfragen – nicht einfach übernehmen
✅ IDW PS 270 n.F. & IDW S11 kennen und anwenden
✅ Alle Hinweise an Mandanten schriftlich dokumentieren
✅ Keine Abschlussunterzeichnung ohne belastbare Fortführungsprognose
✅ Bei Zweifeln: Externe Fortführungsprognose einholen (z. B. über Fortfuehrungsprognose24.de)

Aufklärungspflicht ernst nehmen, Haftungsrisiko vermeiden

Steuerberater haften nicht dafür, dass ihr Mandant in die Krise gerät – wohl aber dafür, wenn sie klare Insolvenzindizien ignorieren, darüber nicht aufklären oder Jahresabschlüsse ohne Grundlage weiter nach Fortführungswerten erstellen.

Die wichtigste Verteidigung gegen spätere Schadensersatzforderungen ist: eine dokumentierte, konkret auf den Mandanten bezogene, schriftliche Aufklärung.

📌 Fortfuehrungsprognose24.de unterstützt Sie:

  • bei der Beurteilung wirtschaftlicher Risiken,
  • mit Fortführungsprognosen nach HGB und IDW S11,
  • bei der Erstellung externer Gutachten zur Haftungsvermeidung,
  • als Dokumentationshilfe für Ihre Mandatsakte.

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