Pflichten Steuerberater
Pflichten des Steuerberaters bei Jahresabschlüssen und Insolvenzreife
Warum die Hinweis- und Warnpflicht für Steuerberater entscheidend ist
Das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 26.01.2017 (Az.: IX ZR 285/14) hat die Haftung von Steuerberatern bei unterlassener Warnung vor Insolvenzreife deutlich verschärft.
Insbesondere bei der Erstellung von Jahresabschlüssen muss der Steuerberater seine Mandanten klar und eindeutig auf Anzeichen von Insolvenzgefahr hinweisen – auch über den eigentlichen Mandatsgegenstand hinaus.
Dieser Artikel zeigt:
- die Hauptpflichten von Steuerberatern bei der Jahresabschlusserstellung,
- die Folgen bei Verletzung der Hinweis- und Warnpflicht,
- ob Steuerberater zur Prüfung der Insolvenzreife verpflichtet sind,
- was bei der Mandatsablehnung zu beachten ist.
Hauptpflichten von Steuerberatern bei der Jahresabschlusserstellung
Steuerberater sind nicht nur Zahlenverarbeiter, sondern zunehmend auch Risikomanager im Sinne ihrer Mandanten. Im Mittelpunkt ihrer Tätigkeit steht die Bilanzierung nach § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB.
Dort heißt es: „Bei der Bewertung ist von der Fortführung der Unternehmenstätigkeit auszugehen, sofern dem nicht tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten entgegenstehen.“
Zentrale Handlungspflichten:
- Hinweis auf Fortführungsannahme: Der Mandant ist aktiv darauf hinzuweisen, dass nur bei positiver Fortführungsprognose nach Fortführungswerten bilanziert werden darf.
- Einschätzung der Indizien: Steuerberater müssen Indizien, die gegen eine Fortführung sprechen, benennen und auf mögliche Insolvenzgründe hinweisen.
- Dokumentationspflicht: Der Hinweis muss eindeutig, schriftlich und nachweisbar erfolgen.
Typische Indizien:
- negative Eigenkapitalquote über mehrere Jahre
- hohe kurzfristige Verbindlichkeiten bei geringen liquiden Mitteln
- hohe Außenstände und Forderungsverluste
- nicht werthaltige Gesellschafterdarlehen
- gekündigte Kreditlinien
Wenn diese Hinweise fehlen, entsteht ein gravierendes Haftungsrisiko – selbst wenn die Bilanz formal korrekt erstellt wurde.

Pflichten Steuerberater
Haftung bei Verletzung der Hinweis- und Warnpflicht
Verletzt ein Steuerberater seine Pflicht zur Warnung, obwohl ihm klare Anzeichen einer drohenden Insolvenz bekannt sind, haftet er – auch ohne ausdrückliche Mandatierung zur Insolvenzprüfung.
Juristische Grundlage:
- § 280 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 675 BGB (Pflichtverletzung aus Dienstvertrag)
- § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 15a InsO (Insolvenzverschleppung, Mitverantwortung)
Konkrete Folgen:
- persönliche Inanspruchnahme auf Schadensersatz durch den Insolvenzverwalter
- Regressforderungen der Geschäftsführung oder Gesellschafter
- Entfall des Vertrauensverhältnisses mit Mandanten
Die unterlassene Warnung kann zum Insolvenzvertiefungsschaden führen – also zum Schaden, der entstanden wäre, weil der Insolvenzantrag verspätet gestellt wurde.
Grenzen und Reichweite der Prüfungspflicht
Was gehört nicht zu den Pflichten:
- Der Steuerberater muss keine eigene Insolvenzreifeprüfung (z. B. Erstellung von Liquiditätsstatus oder Überschuldungsbilanz) durchführen.
- Er muss keine Fortbestehensprognose nach IDW S11 eigenständig aufstellen.
Was jedoch sehr wohl verpflichtend ist:
- Die Information des Mandanten über die rechtliche Notwendigkeit einer solchen Prüfung.
- Die Identifikation möglicher Krisensignale bei der Bilanzanalyse.
- Die schriftliche Aufforderung an die Geschäftsleitung, eine Prüfung durchzuführen oder externe Beratung einzuholen.
Es ist ein Irrtum zu glauben, die Pflicht zur Warnung entfiele, nur weil der Mandatsgegenstand „nur“ die Bilanz sei.
Empfehlungen zur Mandatsannahme oder -ablehnung
Vor Übernahme eines Bilanzmandats sollte der Steuerberater:
- Alte Jahresabschlüsse und BWA analysieren (Verlustentwicklung, Eigenkapitalverzehr)
- Forderungsausfälle und OP-Listen prüfen
- Verbindlichkeiten und Liquiditätslage (Banklinien, Sozialabgaben, Steuern) sichten
- Frühindikatoren wie Zahlungsverzug, hohe Lieferantenverbindlichkeiten oder Lohnrückstände bewerten
Wenn Ablehnung notwendig erscheint:
- Mandat schriftlich und eindeutig ablehnen
- Keine inhaltlichen Gründe nennen (keine vorschnelle Begründung gegenüber Dritten)
- Keine Auskünfte, Bewertungen oder „Gefälligkeitsäußerungen“ tätigen
Achtung: Auch mündliche Beratungen ohne Vertrag können zu einer sogenannten konkludenten Haftung führen.
Handlungsempfehlungen für die Praxis
Um das Haftungsrisiko nachhaltig zu reduzieren, empfehlen sich:
Checklisten & Standards:
- Verwendung einer Checkliste zur Fortführungsprognose
- Überprüfung offenkundiger Krisenmerkmale mit standardisierten Bewertungskriterien
Schriftliche Hinweise:
- Formulierung eines Hinweistextes auf Basis § 252 HGB bei jedem Abschluss
- Schriftliche Aufforderung zur Fortführungsprognose bei kritischer Lage
- Ablage im Mandantenordner mit Unterschrift
Interne Kommunikation & Weiterbildung:
- Fortbildungspflicht für Berufsträger zu Haftungsfragen
- Schulung von Mitarbeitern bei Jahresabschlusserstellung in Insolvenzrisikolagen
Sorgfaltspflicht, Kommunikation und Dokumentation sichern ab
Steuerberater sind keine Insolvenzverwalter, aber sie tragen in der Krise eine Mitverantwortung für Transparenz und Aufklärung. Wer seinen Mandanten nicht deutlich macht, dass Insolvenzgründe vorliegen könnten – oder dass der Jahresabschluss ohne positive Fortführungsprognose rechtlich unzulässig ist – setzt sich einem erheblichen Haftungsrisiko aus.
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